Kabinett


SS 2019

Studierende

Luise Talbot


Projektbetreuung

Prof. Gabriele Langendorf


Studiengänge

Freie Kunst


Projekt Art

Diplom

Luise Talbot: Kabinett, Diplom 2019, Öl auf Leinwand, jeweils 200 x 120 cm, Foto: Majid Kiasalar

Malerei kann ein unheimliches Medium sein: Statik und Lebendigkeit werden vereint; Unmittelbarkeit und schleichende Entstehung; das Suggerieren von Wirklichkeit mit gleichzeitiger Offenbarung der Künstlichkeit. Dass gerade die Darstellung menschlicher Figuren in der Malerei fasziniert und beunruhigt, zeigen literarische Beispiele wie „Das Bildnis des Dorian Gray“ (Wilde), „Das ovale Porträt“ (Poe) und „Pickmans Modell“ (Lovecraft).

Bei den Porträts der Gruppe Kabinett handelt es sich um Darstellungen von Figuren, nicht von realen Menschen. Es geht nicht um die Persönlichkeit und das Gefühlsleben der Modelle, auch nicht um meine Beziehung zu ihnen. Sie dienten dazu, Figuren zu entwickeln, deren Motivationen uns unbekannt bleiben. Dies geschah im interaktiven Prozess (im Falle von realen Modellen), dann mit dem Zwischenschritt der Fotografie, die eine vorbereitende Statik, Distanz und Entfremdung erzeugte, und schließlich vor allem durch die Umsetzung in eigenständige Malerei, in der ich die Figur erarbeitete.

Meine Figuren schauen die BetrachterInnen direkt an und geben dennoch nichts von ihrem Innenleben preis. Sie laden ein, sich ihnen gegenüberzustellen und wahren zugleich Distanz. Unvorbereitet könnten sie durch ihre Lebensgröße erschrecken, doch gleich darauf mag dieser Eindruck ins Gegenteil umschlagen, da viele von ihnen selbst einen überraschten Ausdruck tragen. In der Konzeption fragte ich mich, ob ich trotz der Direktheit des Blicks und der intensiven Präsenz der Figuren einen Zustand der Ungeklärtheit erzeugen und festhalten könnte.

Manche der Figuren haben eine noch natürliche Körperhaltung, irritieren jedoch in Details oder wirken in ihrem Ausdruck mehrdeutig. Ich spiele auch mit den Gegensätzen Lebendigkeit und Starre, was sich teils bis ins Groteske steigert.

Während des Malprozesses erforschte ich das „unheimliche“ Potential der Malerei und setzte es intuitiv ein. Ich begann auch, aus der Pinselführung heraus, in die Darstellungen subtile oder dominante Formen einzufügen, die unterschwellig bekannt sein könnten, bzw. mehrere Assoziationen zulassen.

Aus dem direkten Blick auf den meisten Bildern ergibt sich das Phänomen, dass die Augen einem überall hin zu folgen scheinen, egal in welchem Winkel man zu ihnen steht. In meiner Präsentation wollte ich dies steigern, indem ich die Bilder in einer Dichte hängte, die sich unbehaglich anfühlen mochte. So wird auch die Rückenfigur in Gesellschaft der anderen mit ähnlicher Penetranz aufgeladen.

Der Titel Kabinett erinnert an eine altmodische Häuslichkeit, vielleicht auch Heimlichkeit, doch impliziert auch das Fremdartige: Er lässt an Kuriositäten, eine unheimliche Schau abjekter Wesen, denken und verortet die Arbeit eher in einer übergreifenden Stimmung als in einem bestimmbaren Ort oder einer bestimmten Zeit.

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